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2011/06/12

Im Kino: Wer ist Hanna?

RAU, BIZARR, MÄRCHENHAFT



Die 16-jährige Hanna sieht aus wie ein Botticelli-Engel, wird aber von ihrem Vater zur Kämpferin ausgebildet. Sie erinnert stark an eine Material-Arts-Kriegerin. Aufgewaschen im Wald, ist es der Freiheitsdrang, den Hanna in die Welt treibt. Von nun an kämpft sie gegen die Attacken einer hexenhaften Geheimdienstchefin - auf der Suche nach ihrer Identität.
Der Wald als Rückzugsort ist aus dem Märchen hinlänglich bekannt. Ähnlich wie in Grimms 'Die zwölf Brüder' dient der Wald als Ort des Schutzes. Schutz, den Hanna bewusst aufgibt, um die Welt und sich selbst zu entdecken. Was Hanna und ihren Vater Erik einst in den Welt trieb oder ihn und die kalte Geheimdienstchefin zu erbitterten Feinden machte, ist ebenso mysteriös wie die Hauptfigur selbst. Rastlos geistert Hanna durch Europa. Auf ihrer Abschussliste steht Marissa Wiegler - jene finstere Geheimdienstchefin.
Eine außergewöhnliche Ausstrahlung hat Saoirse Ronan (Abbitte, In meinem Himmel) als kühle, blutjunge Killerin. Engelsgleiches Auftreten und einen rücksichtsloser Kampf gegen jeden, der sich ihr in den Weg stellt, vereint die junge Irin fabulös. Als rothaarige Hexe mit Katzenaugen und Lederhandschuhen gibt Cate Blanchett (Aviator, I'm not there) eine außergewöhnliche Gegenspielerin ab: eiskalt, bizarr und gruselig zugleich. Offensichtliche Andeutungen an die klassische Stiefmutter-Figur sind sicher nicht zufällig.
Regisseur Joe Wright (Stolz und Vorurteil, Abbitte) inszeniert einen rauen, authentischen Thriller mit der Ästhetik eines Märchens. Wackelige Handkamera und Märchenwälder sind vorherrschende Stilmittel. Diese einzigartige Verbindung schafft eine ganz eigene Atmosphäre: knallhart und surreal. Großen Anteil daran hat der rasante, elektronische Soundtrack der Techno-Band Chemical Brothers. Wie einen Techno-Clip gestaltet Wright die rau inszenierten Actionsequenzen.

'Wer ist Hanna?' ist ein bemerkenswerter Thriller, der es weiß, sich von gewöhnlicher Hollywood-Ware abzusetzen. Alles andere als der typische Sommer-Blockbuster. Die zu konventionelle Auflösung der Titelfrage tut dem sehr atmosphärischen Ende keinen Abbruch. Denn allgemein lebt der Film von zwei hervorragenden Darstellerinnen, die in ihren Rollen brillieren.

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